Musiklehrerin Mona Hartmann gibt hier in einem Beitrag ganz persönliche Einblicke in den ganz besonderen Zauber vor dem Konzert. Das JeKi-Konzert der 4. Klassen fand am 29. Juni vor großem Publikum statt.
Komm mal mit, ich führ dich zu einem Platz, an dem bedeutungsvolle Momente für mich stattfinden. Ich führe dich in die Aula an der Berner Au, und zwar kurz vor dem Jeki Konzert der vierten Klassen. Der Saal ist schon vom Hausmeister bestuhlt worden. Normalerweise ist der Raum kleiner, aber für die Konzerte wird die bewegliche Wand rausgenommen dann ist bis ganz hinten Platz für Publikum. Vor der Bühne ist mein Aktionskorridor. Dort stehen schon die Xylofone im leicht gebogenen Halbkreis alle nebeneinander. Siehst du sie? Das Bassxylofon rechts. Die Sub-Basstöne davor auf dem Boden.
Auf der Bühne ist Platz für die anderen Instrumente. Auf der linken Seite sitzen die dreißig Geigenkinder und ein bis zwei Celli. Die hintere Reihe spielt im Stehen, damit man sie gut sieht. Die Akkordeonkinder sind ein kleineres Grüppchen, sie haben ihren Platz rechts auf der Bühne. Ich finde, sie sehen immer ein bisschen wie große Dominosteine aus mit ihren schwarz-weißen quadratischen Instrumenten auf dem Schoß. Die Klarinettenkinder stellen sich hier in die Mitte, wenn sie dran sind. Vor dem Konzert surrt es hier wie in einem Bienenkasten. Und ich bin ein angespannter Imker, der alles im Blick hat.
Aber lass uns mal noch genauer hinschauen. Die Geigenkinder sitzen nicht irgendwie. Sie haben genau zugewiesene Plätze. Sie sitzen so, dass Kinder, die nebeneinander nicht friedlich bleiben können, nicht nebeneinander sitzen, und dass die Schwachen nicht alle auf einem Haufen sind, sondern verteilt, so dass sie von den Starken mitgetragen werden. Wie in einem Chor. Du kannst als unsicherer Sänger besser zwischen zwei sicheren Sängern singen.
Die Akkordeons bilden eine hübsche Ansammlung von Dominosteinen. Die Klarinetten sind in diesem Jahr besonders gut. Sie können wirklich richtig gut spielen. Das ist nicht jedes Jahr so.
Und die Xylofone! Das ist mein Feld. Ich liebe es so sehr. Wir proben im Vorfeld so, dass sich jeder sicher fühlt. Auch die ganz Schwachen. Das ist oft ein langer Weg dahin, aber ein wichtiger. Dieses Jahr spielt eine der Gruppen außerordentlich gut. Und so schnell. Ich habe mit ihnen den Fluch der Karibik einstudiert, hab mir mühsam einigermaßen die Klavierbegleitung angeeignet, und sie fetzen das so weg, dass es eine helle Freude ist. Wenn der letzte Ton verklingt, verharren alle in der Schlussspannung im „Freeze“. Spätestens dann stellt sich bei mir Gänsehaut ein. Und dann rauscht der Applaus.
Ich freue mich schon auf heute Abend. Ich liebe – auch nach sehr vielen Jahren- immer noch, wenn die Kinder da stehen und klöppeln, konzentrierte Gesichter machen, genau wissen, wann sie was zu spielen haben, wann welche Schlägel zu nehmen sind, und dabei das klack klack der Schlägel auf den Palisanderstäben der Xylofone.
Während des Konzertes bin ich in hoher Anspannung. Meine Kollegin und ich, wir müssen vieles im Blick haben: wer wann dran ist, die Moderationskinder mit dem Mikrofon betreuen, unsere Stücke begleiten, Xylofone umbauen, wenn die Gruppen in unterschiedlichen Tonarten spielen und die Kinder im Blick haben. Am Ende muss vorne alles frei gemacht werden, damit sich der Chor aufstellen kann. Dann singen wir drei bis vier Lieder, die wir gut können, die gut zusammen passen, und die einen abwechslungsreichen Ablauf beim Zuhören bieten. Wenn irgend möglich, gibt es eine Mitsingaktion, damit der ganze Saal gemeinsam ins Schwingen kommt.
Doch die Anspannung beim Konzert ist nur das eine. Durch die extreme Konzentration, die ich aufbringe, ist mein Hörsinn überdurchschnittlich groß. Ich höre jedes Mini Geräusch in der Ferne. Es kostet mich große Kraft, Geraschel aus dem Publikum akustisch innerlich weg zu filtern. Zum Beispiel Klettverschlüsse, die auf und zu gemacht werden, Babys, die quaken, Kinder, die mit ihren Händen am Stuhl klappern, Gerede in der hintersten Reihe. Ich bin ein Hörseismograph. Es ist als wäre mein Hörsinn auf 200 % gestellt.
Weißt du, was ich so liebe an diesen Konzerten? Ich liebe, dass ich die Kinder zu Situationen führe, in denen sie eine Komplettdusche an Selbstwirksamkeit erfahren. Sie erarbeiten sich etwas, können es, tragen es mit Freude vor, erfahren ein Echo, erleben Erfolg und erleben eine tragende Verbindung zwischen sich und der Welt. Das tragen sie für immer in ihrem Herzen und in ihren Zellen. Weißt du was mich auch glücklich macht? Wenn die Kinder die Lieder noch singen, wenn sie auf dem Heimweg sind. Dann kann ich sagen: Ja! Wir haben alles richtig gemacht. Sie haben Lieder in ihrem Herzen.
Als wir das allererste Konzert gemacht haben, das war ein Chaos. Wir waren so viele Kinder, dass nicht alle gut auf die Bühne passten. Seitdem gibt es immer zwei Konzerte. Damals wurden die Geigen alle auf Tische gelegt, aber ohne weitere Anordnung, und irgendein Kind schob die Geigenkästen weiter, um Platz für seinen zu haben und zack – fiel auf der anderen Seite eine Geige zu Boden und ging zu Bruch …
Jetzt stellen sich schon die ersten Kinder auf ihre Position, siehst du. So, nun muss ich los.
Momentaufnahmen aus dem Konzert (Fotos: Kä)